Mittwoch, 3. Mai 2006

Selbstdiagnose leicht gemacht

Bitte schauen Sie aus dem Fenster.

Schauen Sie wieder auf diesen Beitrag.

(dramatische Pause)

Schauen Sie aus dem Fenster.

Warum schauen Sie schon wieder auf diesen Beitrag?

Ja, die Frage ist ernst gemeint.

Ist ihnen a) langweilig, b) ihr Chef zu kontrollsüchtig oder sind Sie c) mediensüchtig? Sie schauen immernoch auf diesen Bildschirm. Hallo! Da draussen werden wieder Röcke getragen! Oder falls Sie das mehr interessiert: Auch die männliche Menschheit ist wieder ohne Jacken unterwegs.
Das ist lustiger, schöner und genpoolbereichernder als lichtgraue Buchstaben auf weißem Hintergrund.

Bitte beherzigen Sei diesen Tipp. Mailen Sie ihn allen, die ähnliche Symptome zeigen. Klappen Sie ihren Laptop zu. Wir sehen uns im Park. Die Praxis bleibt heute geschlossen.

MfG

doctor_best

Freitag, 28. April 2006

Süchte Nr.5, 6 und 7.: Die TOP 3 der alltäglichen Foltermethoden. Langzeitschäden sind vorprogrammiert.

Man sagt sich, diesen Süchten seien auch andere Branchen verfallen. Obwohl ich aktiv bisher noch keine andere Branche kennenlernen durfte, behaupte ich dennoch kühn, die Werberleute sind die wahren Krieger in Sachen Meetings, sinnlosem Sprechdurchfall und in End- und Umlagern von wirklich relevanten Tätigkeiten an ihre Kollegen.

Meetings sind ein Labsal für all unsere geltensbedürftigen Mitmenschen. Endlich mal nicht wie zuhause aus Frustration mit dem Spiegelei oder der Wattebausch-Familie reden, sondern mit Lebewesen auf engstem Raum. Ich habe sie schon gesehen die funkelnden Augen und die vor Glück schwitzigen Hände geschüttelt und dann weiß ich genau mit welchen Kalibern ichs zu tun habe. Es gibt verschiedene Meetingmackenvorlieben: Manche spielen Meetingguerilla und lenken saugen jegliche Relevanz aus Meetings, in dem sie ihre Mitmenschen mit der Entwicklungsstufe der Fußpilzerkrankung ihrer Gattin nerven. dann gibt es die Showesser, die eigentlich schlicht passionierte Kellner sind und es lieben sich peu à peu unterschiedliche Säfte, Teesorten und Kaffeevariationen zuzubereiten, gefolgt von einem Versuch aus vertrockneten Pressspankeksen Etageren zu bauen und genüsslich zu verzehren.
Oder die Showtelefonierer, die eigentlich ihren Job verfehlt haben und viel besser in einer ZDFSpendengala für WirhelfenKindernTsunamiFlutAidsHartz4TokioHotel-Opfern im Showcallcenter aufgehoben wären. Zunächst denkt man noch das Gegenüber möchte einem netterweise den ausladenen, sichtbaren Kauvorgang ersparen, dabei dient das HandvordenMundhalten zur Dämmung der ins Telefon geflüsterten Worte. Bei soviel Showeinlage, zu der nicht einmal Kati Witt auf dem Eis fähig ist, bleibt einem nichts anderes übrig als den stringenten Meetingfaden zu verlassen und sein sich in einen echsenartigen, nahezu meditativen Staunvorgang zu begeben. Das ist nur eine sehr eingeschränkte Auswahl, die Liste scheint endlos zu sein.

Direkt an zweiter Stelle folgt schon dicht, die von Kollegen gerne eingesetzte, garantiert tödliche Allzweckwaffe: das Totquatschen. In der Regel sind die Meetingjunkies auch zeitgleich die Sprechdiarrhoeler. Die Formel lautet: Hohe Konzentration irrelevanter Informationen, vorgetragen in entweder valiumesquen Einschläfermethodik und mit bestimmt immer wiederkehrenden Allgemeinplätzen. Gefährlich wirds erst dann, wenn sich zwischendurch relevante Informationen verstecken. Wir arbeiten deshalb zurzeit an einem Relevanzdetektor, der uns Leidtragenden hilft, die wichtigsten Informationen auszufiltern und abzuspeichern, zumal unsere Ohren und Hirne unsere Seelen mit einer Hornschicht vor Langzeitschäden schützt. Beispiele gefällig: "Die im Kontext des Benefits redundanten Bulletpoints sollten noch mal in einer SWOT-Analyse auf die im Kontext des Reason Why tatsächlichen relevanten Bulletpoints gecheckt werden." Ja, klar, Migräne.
Mein mir liebstes MeetingsmeetsSprechdiarrhoe-Erlebnis bleibt aber ganz pur: "Werte Frau Odendahl, Rüttenstahl mein Name, darf ich Ihnen noch Kaffee eingießen? Kaffee, frisch aus der Brut!"
Spätestens an diesen Punkten möchte man sich zu einen Ganzkörper-Emoticon machen, denn was man dann fühlt kann leider nicht mehr mit Worten wiedergegeben werden.

Platz 3 im Alltagskrieg belegt das End- und Umlagern von wirklich wichtiger Arbeit an Kollegen. Menschgewordene Castortransporte! Höchstgefählich! "Lieber Texter Friedbert, kannst du bitte noch auf Seite 3, Absatz 2, letzter Satz, das Wort "Brotaufstrich" ersetzen? "Brotaufstrich" ist dem Kunden zu allgemein. Schließlich handelt es sich um einen "Nussnougataufstrich". Wir können also "Nussnougataufstrich" schreiben. Für den Kunden ists ok. " sage ich. "Liebe WerbenundVerlaufen, so geht das nicht. Kannst du mir das bitte in einem schriftlichen Briefing niederschreiben? Und bitte denke daran auch das Timing für diese Korrektur zu vermerken. Ich meine, wann muss das geänderte Dokument an unseren CD Dieter und wann sieht es der Kunde? Denkst du bitte noch daran eine Todo-Liste für mich für die nächsten 2 Stunden anzufertigen? Ich kann echt nicht so arbeiten. Als Simon und Manfred noch die Kundenberatung gemacht haben, da gabs das immer und das war sehr gut."
"Friedbert, die Broschüre muss aber in den nächsten 10 Minuten an die Druckerei gehen, sonst halten wir den Endtermin nicht. Ich werde dir nicht deine Todo-Liste machen können."
"Na gut. Aber mit Simon und Manfred lief das niemals so unprofessionell wie mit dir, WerbenundVerlaufen. Wir hatten für die Entwicklung eines Aufklebers 2 Wochen Zeit. Nur Text. Die Grafik hatte dann noch mal eine Woche. Das war echt gut, WuV."

Jeder Leidtragende des Alltagskriegs hat so seine ganz eigenen Mittel um diesen harten Kampf gegen die nachlässige Kollegenschaft zu überstehen. Besonders harte Tage sind nur dann zu überstehen, wenn man am Vorabend aus Versehen in einen Schnapstank gefallen ist. An dieser Stelle muss ich nun auch zugeben, dass ich vor absehbaren, besonders harten Meetings mich gerne absichtlich in einen Whiskypool werfen lasse, um nur ein Viertel des Leids mitzubekommen. Ich schlage zurück, denn olfaktorisch lässt sich meine vorabendliche Beschäftigung vor meinen Feinden aus der Meetingamafia schlecht verbergen. Ich lehne mich zurück und danke Guerlain und Frau Rubinstein für ihre Verdienste in der Kosmetikindustie und würfle vor dem Meeting, ob ich mir und meiner Umwelt ein fahnenbehebenden Kaugummi gönnen möchte oder nicht.

Donnerstag, 27. April 2006

Das Leben danach

Das Bild von Werbe-Gurus entspricht grauhaarigen Endfünfzigern, mit traditionellen schwarzgrauen Rollpullis. Auch wenn sie Falten tragen, wirken sie unglaublich jung, attraktiv, sie haben vom Leben aus Lust und Laune geprägte Lachfalten. Die sind ja immer sympathisch. Sie sehen nicht nur so aus wie Werbung, sondern sind sie leibhaftig. Sie gestikulieren AIDA und kritisieren den Verfall von Esthetik. Das dumme ist nur, die endfünfziger sind meist Anfang vierzig. Damit verschiebt sich einiges.
Man kann fast glauben, das alle Werber nicht älter werden als vierzig. Nein, man sollte wissen: als Werber wird man nicht älter als Anfang vierzig.
Es bleibt die Frage, was geschieht mit dem gemeinen Werber? Liegen sie dann tatsächlich an der CopaCabana und schlürfen Cocktails, als hätten sie, schneller als jede andere Berufsklasse, doppelt so viel gearbeitet und doppelt so schnell ihren Lebensabend verdient.
Das was der Realität entspricht, hört sich jedoch anders an. Demnach wandern abgelegte Art-, Creativ- und Textdirektoren nach ihrer altersbedingten Entlassung direkt in die Klapper. Dort schlucken sie Antidepressiva-Cocktails, im Grün des Parks um die Heilanstalt.
Werber müssen immer ihrer Zeit voraus sein, damit sie das dumpe Volk stetig überraschen. Diese Spirale ist unaufhaltsam, und nach dem Ausscheiden aus der Kuschelagentur, ist die Pirouette in die Realität vergleichbar mit einem Köpfer in einen ungefüllten Swimmingpool. So manch einer schafft es, sich am Sprungbrett des Marketings festzugrallen und hüpfen auf die sichere Kundenseite. Dort senieren sie über die verrückten Werberjahre bis es nervt.
Klar, es gibt auch jene, die ihre eigene Agentur kreieren. Die dann zu denen werden, über die sie die Jahre zuvor gemeckert haben, welchen Stuss man als Untergebener umzusetzen hat.
Nach all der Schwarzmalerei hier noch einen Hoffnungsschimmer: Es gibt sie trotzdem, die Berufung danach. Es gibt sie, die Lücken die auch von Exwerbern gefüllt werden können. Nahe der Werbung, und doch weit genug entfernt um mit gebührendem Abstand den neuen Jungen Werben zuschauen zu können, ohne Das-kenn-ich-schon-Symthrom.
Ein Tip dafür: fangt mit dreissig an zu schauen, was ihr ab vierzig machen wollt, damit ihr auch fünfzig werdet um mit sechszig euren Enkeln zu erzählen: mit zwanzig war ich Werber.

Sucht Nr.4.: Achtung, Explosionsgefahr: Tabletten- meets Sexsucht

Auf eine ganz besondere Werbespezies trafen wir eines Frühjahrs und lernten mit ihr eine seltene, aber durchaus interessante Sucht ausgerechnet auf einem Stressklimax kennen.
Die Dame hatte so eine furchtbare Branchenvergangenheit, dass sie den Tag
nur dank einer täglichen, großzügigen Smartiepackungseinheit Tabletten überstand.
Wir stellten anfangs einen verwässerten Blick und unberechenbare Stimmungsschwankungen fest: es gab nur hysterisches, von fäkalhumorgezeichnetes Dauergekicher oder Tobsuchtsattacken gegenüber Gespenstern.
Sie hörte aus Jambaklingeltönen Witze heraus und sah in Flipcharts feindliche Kollegen. Mit ihrer grenzenlosen Fantasie sahen wir ihre Zukunft vielmehr als Leiterin einer anthroposophischen Kindertagesstätte oder als Grundschullehrerin.
Keinesfalls aber in der Werbung, keinesfalls in der Mitarbeit an unserem Kampagnen, in denen Kreation stets durch einen profunden strategischen Unterbau Restrikitionen erfährt.
Die reine Tablettensucht und ihre Auswirkungen wären für uns noch prima erträglich, wäre da nicht die teuflische Verbindung mit der Sexsucht gewesen.
Diese machte sich in den übersexualisierten Kampagnenideen deutlich, und an ihrem Drang danach gut aussehenden Kollegen wie uns das Leben schwer zu machen.
Nach einander sperrte sie uns in Kämmerlein und startete einen verbalen Bürgerkrieg, nahm uns Sekunden später mit teuflischem Gelächter in den Arm um uns dann Stunden mit Louis Vuitton-Logos den Rücken wundzukratzen.
Als besonders besorgniserregend mussten wir auch die Tatsache einstufen, dass sie Menschen jeden Tag neu kennenlernte. Schön für sie, schwierig für uns. Sie konnte ganze Fotosessions mit einem Fotografen in Kuba absitzen und den selben Fotografen für die nächste Session zwei Wochen später auf Mallorca wieder neu kennenlernen.
Trotz regem Interesse unsererseits an ihrem doch speziellen Verhalten wurde
uns das Leben mit ihr auf Dauer zu anstrengend. Wir selbst verfielen zeitweise gewissen, aber gesünderen Süchten , eine Melange aus Stress und Staunen ließ uns nachts nicht mehr schlafen.
Wir nutzen Auswirkungen ihrer Sucht - die Vergesslichkeit und den Realitätsverlust - und schafften es, die Dame unbemerkt in einer anderen Agentur unterzubringen. Man sagt sich, sie würde neue Kollegen immer noch mit unseren Namen ansprechen und würde nun dank eines Gegenmittels ohne Schlaf durcharbeiten. Ihre Sexsucht hat sie nun aufgrund einer Beziehung mit einem Aktenschrank im Griff. Wir sind erleichtert.

Mittwoch, 26. April 2006

Darf man als Werber ein Gewissen haben?

doctor_best rät: Ja. Und Nein. Es ist die geplante Schizophrenie, die hier Abhilfe schafft.

Nicht erst seit neunundreißigneunzig und city-of-god wissen wir, dass etliche Werber tatsächlich ein Gewissen besitzen. Neu scheint allerdings die Erkenntnis, dass manche es auch benutzen. Agenturchefs sehen dies leider nicht gerne und der Lebenslauf freut sich auch nicht. Also wird das Gewissen geschluckt, bis es schreit.

Und wer zu lange für die dunkle Seite der Macht gearbeitet hat, entdeckt dann eines Tages in Geo, dass es da draußen noch ein anderes Leben gibt und schmeißt seine Karriere hin, beziehungsweise tritt adbuster bei. Dieser Schritt ist relativ endgültig und will daher gut überlegt sein.

Für den Werber viel einfacher ist hingegen, schon bei kleinen Gewissensbissen den Weg in oben beschriebene geplante Schizophrenie zu gehen:

Tagsüber blutrote Kampagnen für Atomstrom machen und abends beim Grünen Kreistag Hamburg reden. Oder vormittags Heckler&Koch-Gute-Nacht-Visiere bewerben und in der Mittagspause schnell noch ne ADC-reife Kampagen gegen Landminen entwickeln. Das hält die Seele rein und das Gehirn im Training.

Grenzwertig wird der Schizzo-Werber allerdings, wenn seine eine Seite sich gegen die andere richtet. Zum Beispiel wenn er nachts die Plakate überklebt, die er tagsüber gemacht hat:

Bild004

Denn – soviel weiß doctor_best aus seiner Praxis – der Überkleber kommt vom verlängerten Arm des Photoshop, kurz AD. Ein Texter hätte nicht so geschwafelt. Aber ob es allerdings wirklich genau der AD war, der das Plakat erdacht eingedeutscht hat oder ob ich das nur aus Gründen gesteigerter Dramatik behaupte, das wird wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Ärztliche Schweigepflicht und so.

PS: Die Sonntagsfrage – heute schon:

Wann beißt selbst Werber das Gewissen?
wenn ich Atomstrom bewerben soll
Reklame für Waffen geht gar nicht
eigentlich nur, wenn ich gerade jemand rausgemobbt hab
jedes mal, wenn ich alle Belege für mich klaue
ich bin so sensibel, ich werde schon rot, wenn ich beim Freianweisung ziehen uebertreibe

Nur Auswertung

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Dienstag, 25. April 2006

Inside-out, das kleine Agentur-Maki

Um Einsteigern in die Medienwelt die ersten Schritte im unüberschaubaren Sumpf deutscher Kommunikationsprofis zu vereinfachen, beginnt der WEISSE WERBER RING mit diesem Artikel eine umfassende Enzyklopädie über die unbekannten Welten zwischen Selbst- und Fremdbild bekannter Werbeagenturen. Damit es aber nicht zu einfach wird – und weil es sich hierbei ja um Werbeagenturen handelt – zeigen wir an dieser Stelle lieber, wie Reklamewerke von außen erscheinen und von innen sind.

Die Liste erhebt selbstredend Anspruch auf gottgleiche Absolutheit und wird fortlaufend von Ihnen, liebe Leser, in den Kommentaren weitergeführt. Sie basiert auf meinen täglichen Erfahrungen mit dem Maleur Medienschaffender und entbehrt absichtlich jeden Erklärungsversuchs.

Jung von Matt
Von außen: Morgen-Brunch der kreativsten Menschen Deutschlands
Von Innen: Colonia Dignidad gibt’s nicht mehr, also Scientology

TBWA
Von außen: David Beckham der Werbewelt
Von Innen: Kreativtagebau mit Maggi Thatcher

Zum goldenen Hirschen
Von außen: Che Guevara
Von innen: Finanzamt Böblingen

Scholz 'n' Friends
Von außen: Queen Mary II (das Schiff natürlich) kopulierend mit einem Speedboot
Von innen: Eine Zeitungsanzeige, die ausreicht um gefühlte 15 Jahre in Folge beim ADC seinen Renovierungsbedarf abzuholen

Springer und Jacoby
Von aussen: die Titanic, davor
Von innen: die Titanic, danach

Serviceplan:
Von außen: Kruppstahl
Von innen: Serviceplan

FCB
Von außen: wer?
Von innen: was?

Montag, 24. April 2006

Sucht 3: Die Pole-Psychose

Der Name hat nichts mit unseren östlichen Billiglohn-Putzkräften zu tun, sondern ist der Sport-, speziell der Formel 1-Sprache entlehnt und bezeichnet das zwanghafte Verlangen des Mendienschaffenden, wirklich alles als Allererster wissen zu wollen.

Sein Trieb zwingt das Medienmännchen (und in selteneren Fällen auch das Medienweibchen) dazu, ständig neue Informationen zu jagen um die Beute ungefragt und unverzüglich unter allen vermeintlich Unwissenden zu verteilen. Geleitet wird er oder sie dabei nicht vom Großhirn sondern von der Aussicht, sich in Lob, Anerkennung oder Oh-und-AH-Rufen anderer suhlen zu können. Wegen der dem Medienmenschen innewohnenden Abneigung gegen Menschen anderer Berufsgruppen – und weil man als Medienschaffender ja eh den ganzen Tag vor dem Rechner sitzt – sind allerdings die wenigsten Informationen originärer Natur, sprich selbst gesehen. Viel öfter hingegen findet der Informator bei seinen ausgedehnten Streifzügen durch die Medienlandschaft vorgekaute Informationen. Leider steht er damit vor dem Dilemma, entweder diese Informationshappen zu verschmähen (und verzichtet damit auf Lob, Anerkennung und Oh-und-Ah-Rufe seiner nur zu diesem Zweck aufrecht erhaltenen Sozialkontakte). Oder er riskiert, was fast noch schlimmer ist, sich selbst in der Nahrungskette der Informationsgesellschaft auf Platz 2 zu verdammen, da man das informationelle Aas eines anderen der eigenen Gruppe Unwissender vorwirft.

Oh wehe, wehe, eine Entscheidung muss getroffen werden. Und sie wird: Schnell im Aas des anderen nach dem Ursprung gewühlt. Diesen in die eigene mail kopiert. Und ab damit an die gezüchtete Bewunderergruppe. Nööö, ich hab das nicht von SpiegelOnline, ich hab das parallel gefunden. Neee, ich schreib doch nicht von Blogs ab. Und Group Tekkan rufen mich an, bevor die so was machen!

Da der Medienmensch allerdings tief in sich drin ein selbstrefktierendes Kuschelhasi ist und nur von seinem Umfeld zu solchen Neurosen getrieben wird, kommt er oder sie sich erst irgendwann selbst auf die Schliche und dann zu mir in Therapie.

Hüten Sie sich also bitte vor den Stromschnellen des Informationsflusses – lesen sie zum Beispiel sicherheitshalber nur noch Spiegel Online von gestern.

MfG
doctor_best


PS: REchtschreibfehler werden später entfernt, aber wollen sie so lange warten oder den Artikel schon mal weiterempfehlen? Ihre Sozialkontakte warten!

Sonntag, 23. April 2006

Sucht Nr. 2: Bermudadreieck: Anorexie, Milchkaffee und Mitteilungsbedürfnis

Dieses sehr gefährliche und - für die Chefs unter uns - auch geschäftsschädigende Verhalten wird fast ausschließlich bei Kolleginnen festgestellt. Fatal ist die 3er-Verbindung der Neigungen und die Auswirkungen auf den Arbeitsalltag.
Auf die Anorexieproblematik möchten wir an dieser Stelle nicht näher eingehen. Schuld sind sicherlich zahlreiche Vorbilder, die bekanntermaßen nie ungephotoshoped außer Haus gehen aber dennoch viele Frauen in eine tiefe Krise stürzen.
Diese Mitarbeiterinnen sind aufgrund ihrer Konstitution gar nicht zu normaler Arbeit in der Lage. Sie und ihre Projekte müssen von Kollegen aufgeppelt werden wie ein angefahrenes Igelbaby.
Diese Kolleginnen halten sich stets in der Nähe ihres Kaffeeautomatens auf um sich und ihren erbsengroßen Magen mit zwischen 5 und 8 Liter Milchkaffee mit kilimanjarohohen Milchschaumbergen zu vergiften.
Mit diesen Schwächen sind sie nur für leichte und sinnfreie Arbeiten wie Ablage und Kopiermarathon mit anschließendem Synchrontackern zu gebrauchen. Komplexere Arbeiten muss das kollegiale Umfeld mittragen.
Den Rest der Zeit verbringen diese Kolleginnen auf einer Kaffeefahrt durch die gesamte Agentur um dann mit Kollegen X über seine Beziehungsprobleme, mit Kollegin Z über ihre Geschlechtskrankheit zu sprechen und um die fotografischdokumentierte Ausbeute eines gelungenen Wochenendes im lockeren Kollegenrahmen zu präsentieren.
Was macht man nun mit solchen Mitarbeiterinnen? Am einfachsten wäre ein arrangierter Abend mit abschließender Schwangerschaft mit Kollegen X, der ja ohnehin Beziehungsprobleme hat. Die Zeit bis zum Mutterschutz lässt sie sich dann prima als Informantin für die Geschäftsleitung über das Privatleben der Mitarbeiter nutzen.
An dieser Stelle möchten wir Agenturen die Einrichtung eines Spendenkontos anbieten, die unter dem enormen Kaffeekonsum und unkonzentriertem, geschäftsschädigenden Verhalten von einzelnen, meist weiblichen Mitarbeitern zu leiden haben. Und die Beruhigung, dass es noch schlimmeres als Milchkaffeeintoxikation gibt: Chai grande!

Donnerstag, 20. April 2006

Sucht Nr.1: Abgreifen

Unter "Abgreifen" verstehen wir ein Phänomen, das selbstverständlich nicht ausschließlich in der Werbergattung vorkommt. Dennoch stellen wir mit Entsetzen einen überdurchschnittlich ausgeprägten Drang in der Branche dazu fest.

Bei den meisten fängt es ganz harmlos mit dem Bunkern von Belegexemplaren an. Der Werber möchte nicht nur von seinen selbst geschaffenen Druckerzeugnissen ein Stück haben, nein, sondern alles jemals produzierte und bitte in mehrfacher Ausfertigung. Das Gefühl Ware umsonst zu erhalten, lässt sein Herz höher hüpfen. Kapitalistische, möglicherweise clevere Hintergedanken à la "ich verkauf' das Lagerfeldposter für nen spektakulären Ebaypreis" sind nur selten vorzufinden.
Daraus schließen wir, dass es dem Werber um den reinen Besitz geht. Nicht mehr und nicht weniger.

Noch auffälliger wird das Verhalten, wenn Werbemittel Bolle & Bollinger jun. ihr Werbemittellager einmal im Jahr feucht durchwischen und den Produktionern der Stadt je eine Schubkarre voller unglückseligmachender Produkte überlassen: Nickibommelmützen in Mintgrün, unförmige Baseballcaps von renommierten Spitzenvereinen, antistatische, mit Antirutschnoppen versehene, ockerfarbene Haussocken. Das alles möchte der Werber besitzen. Wahres Werberglück ist eine fußballfeldgroßer Wühltisch.

Schauplatzwechsel, Uhrzeitwechsel: Die Druckerei Printpaule lädt zur Jubliäumsparty die wichtigsten Agenturen der Stadt in ein kühles, loungiges Etwas mit Dauerbeamerwandprojektion und begattungsfördernder Housemusik ein. Ein VW Beetle und Mazda MX 5-Korso bildet sich auf der Straße, denn es steht fest: Heute gibts Food and Drinks auf Kosten der Druckerei Printpaule. Wochen zuvor machte schon in Branchenkreisen der Satz "Wir trinken dem Paule den Bentley weg" die Runde. Und genauso verhält sich auch die loungetaumelnde Werbemasse. Bier und Wasser dienen nur zum zwanglosen Zwischengurgeln nach Knoblauchgarnelenspieß und vor Champagnerbaumkuchenparfait. Der Werber bestellt sich danach einen sinnlosen Vorrat der teuersten und alkoholhaltigsten Cocktails und vergisst nebenbei, dass er eigentlich von Cocktails fürchterliches Sodbrennen bekommt: "Zwei extra double long Longislandicetea ohne Eis und noch mal drei zum Mitnehmen, bitte."

Was lernen wir daraus:
1. Nutzt den Abgreifautomatismus der Werber und bringt in Zukunft eure hässlichen Ostergeschenke, defekte Bügeleisen oder eure abgesessenen Couchgarnituren einfach in der Agentur eurer Nähe vorbei. Ihr denkt vor der Haustür kommt der Dreck in den nächsten Tagen ohnehin weg? Von wegen. Eine Ansammlung von Werbern hat beschleunigende Wirkung auf den Eliminierungsprozess unnötiger Gegenstände!
2. Werber haben keinerlei Wert- und Ästhetikempfinden!
3. Werber niemals in die eigene Wohnung/Loft/Villa einladen. Es besteht die Gefahr, dass hinterher Handtücher und Shampooflaschen fehlen!

(vormals:)Erste Hilfe ganz einfach: das Lob (heute:) das Lob - die unterschätzte Gefahr

UPDATE:

Dieser Artikel hat leider bewiesen, dass Werber mit Lob nicht umgehen können. Zumindest, wenn es andere öffentlich bekommen. Einmal im Jahr, beim ADC-Treffen, nicht selber auf der Bühne stehen, das reicht den meisten. Jedes öffentliche Lob führt dieser repräsentativen Feldstudie hier zufolge öfter zu Leid als zu Linderung. Daher dringende Bitte: überlassen Sie das Loben uns Profis bei persönlichen Gesprächen.

Der Artikel wird folgerichtig ersatzlos gestrichen.

Und zur Rache durch einen Link ersetzt, der Werbern richtig Angst macht.


PS: Die Praxis wird jetzt geschlossen. Das Wochenende über wünschen wir viel Spaß mit der Angst erwischt zu werden. Ihr freundliches WEISSER WERBER RING Team steht Ihnen ab Montag wieder zur Verfügung. Bitte lassen sie ihre Zwangsneurosen so lange in den Kommentaren, wir werden das dann abarbeiten.

Wenn der Durchschnittswerber die schmale Grenze zum Wahnsinn durchschritten hat, ist es zu spät. Dann murmelt er oder sie meist nur noch Sätze, die sich in sein Gehirn einbrannten als sie feuerzungengleich aus dem Mund des CD schossen: „Kenn ich schon“, „Hab ich schon mal gesehen“ , „frisch aus dem Lürzers, was?“

Stellen Sie sich das einfach in der Tonlage von Seargant Paula aus Full Metal Jacket vor. Ja, genau, in dieser seven-six-two-full-metal-jacket-Latrinen-Selbstmord-Szene. Dann wissen sie, in welchen Zustand emotional verkrüppelte Werber in der Blüte ihres Lebens hier landen. Wollen Sie, dass all diese ehedem mitfühlenden, teuer ausgebildeten, jahrelang durch BaföG gepeppelten Kommunikations-Einsteins so enden? Nein?

Dann loben Sie einfach mal ein Werberlein. Vor allem, wenn Sie ein Normalmensch sind, hilft das wirklich. (Lob von Berufskollegen lindert auch etwas, wirkt im Vergleich aber nur wie Metadon.) Auf spontane Bitten vieler Betroffener wird die Passage geändert in: Vor allem, wenn auch Sie Werber oder Ähnliches sind. Die Meinung von reinen Medienkonsumenten ist dem Kommunikationsprofi hingegen schon ab Beginn seiner Laufbahn egal. Seien Sie allerdings vorsichtig mit der Dosierung. Zuviel Lob ist für die Medien-Persönlichkeit schädlicher als gestrecktes Koks auf Ammer-Parties. Loben Sie lieber zum Test zuerst seine oder ihre Arbeit. Beispielsweise so …

Das nenn ich mal richtig geile Werbung:

popetown02

Folgen Sie bitte dem hier gezeigten Beispiel: Wenn Ihnen eine Werbung wirklich gefällt und Sie aus gutunterrichteter Quelle wissen, dass bei ihrer Erstellung keine Werber gefoltert wurden, dann machen Sie Ihre Sympathie öffentlich. Zum Beispiel hier in den Kommentaren. Zugegeben, solche Werbung zu finden ist schwer. Viele Werbeagenturen verwechseln immer noch Qual und Qualität und das Ergebnis dieser Haltung sind Anzeigenmotive zum Lachen und Werber zum Heulen. Also loben Sie bitte nur fair erdachte Werbung. (Ein Siegel für diese wird derzeit vom WEISSEN WERBER RING entwickelt)

Weitere Schritte in Richtung persönliches Lob und Bekunden von persönlicher Wertschätzung sollten Sie allerdings uns Profis überlassen. Der gemeine Werber ist sozial verkümmert und klammert sich krampfhaft an jeden kommunikativen Strohhalm. Aber im Gegensatz zu dem süßen Hundchen von Weihnachten werden Sie ihn nicht einfach an der nächsten Autobahnraststätte los. Nein, der Werber wird sich auf der Suche nach mehr Lob immer wieder bei Ihnen melden. Also Finger weg vom Werber, Fingerzeig auf ihn ist Hilfe genug. Daher:

Erdacht hat sich obige Anzeige die Agentur „Roxy Munich“ aus Berlin, die zumindest bisher nicht durch werbeagentureske Fehlschläge Mitarbeiter auf meine Couch geprügelt hat. Und anscheinend war wohl auch Herr Lobo beteiligt.

Vielen Dank, dass Sie mir so lange gefolgt sind. Weitere Exkurse zu den Klippen des Agenturalltags finden in den nächsten Tagen statt.

Es freut sich, wenn Sie wieder einschalten
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