Chefs sind deine Eltern und Eltern deine Chefs

Mit Chefs durchläuft man dasselbe Dilemma wie mit den eigenen Eltern. Je älter man wird, desto mehr werden einem die Fehler der Eltern bewusst und man fängt an sich zu distanzieren.
Sie verhalten sich auffallend komisch, man beginnt sich zu schämen. Sie entwickeln einen ungesunden Hang zu infantilem Verhalten. Bemitleidenswert.

Ja manchmal fragt man sich, wie so ein perfektes Wesen wie man selbst entstehen konnte, wenn die Eltern doch zeitweise ein Total-Error sind.
Man fragt sich im Umkehrschluss genauso, wie Kunden Topkreation kaufen wenn sie von älterlichen Postpubertären im helllila Hemdchen angepriesen wird.

Fängt man neu in einer Agentur an, versucht man seinen Vorgesetzten mit gesundem Menschenverstand und der natürlichen Untergebenheitshaltung entgegenzutreten. Eigentlich gänzlich unbelastet und frei.
Meist kursiert ein Mythos über den Chef, dem er seinen Job zu verdanken hat. Er war zum Beispiel an legendären VW-Kampagnen als Supercreative-Head beteiligt. Komisch nur, dass es mittlerweile 300 Werber in seinem Alter gibt, die dasselbe behaupten. Gar nicht komisch, immer wieder die alten Stories von damals zu hören.

Eine Probezeit später wird einem bewusst, dass das alles nur Glück und Zufall war: Die Person, die über dich und deine professionelle Zukunft richtet, hat ihren Job dank monarchischer Erbreihenfolge von Einzellern gewonnen.

Manchmal passieren dann solche Dinge:

- "Wir pitchen ja diese Woche um BMW, das Bayerische Motorsägen Werk."
Ähm, ok, Motorsaw.
Wunderbar Chef, du hast vielleicht am Wochenende einen Barolo zu viel getrunken, aber bitte sage das dann nicht in der Präsentation.
Wir kennen von unseren Eltern dann Geschichten wie diese: "Kind, ich habe eine ganz leckere Schoko von Milkana." Kind: "Pfui von dem Frischkäsefabrikanten?" "Nein, Kind, Milkana ist einer der bekanntesten Schokoladenhersteller. Bist du weltfremd!"

- Manchmal haben sie oktopusgroße Knutschflecken nach ihrem Thailand-Urlaub und erzählen, dass sei ein Überbleibsel eines allergischen Schocks auf Native-Food.
Chefs sind geradezu aggressiv-naiv in ihrer Vorstellung, dass ihre Angestellten diesem Lügenmärchen glauben schenken. Ähnlich war das ja bei unseren Eltern als sie uns den Eierlikör zuviel als Altersmigräne erklären möchten wobei wir Kinden schon den 63igsten Rausch hinter uns haben und man endlich mal offen sprechen könnte.

- Manchmal fahren sie Auto als hätten sie ihren Führerschein bei Tante Ursel in der Boxautobude in Castrop-Rauxel neben dem Zuckerwattenwettessen und der Rosenschiessbudenmeisterschaft gewonnen. Bordsteine, Mülleimer Pommesbuden werden niedergerollt und nebenher wird noch die Präsentation umgestellt. Bei unseren Eltern ists genauso: Doch die Präsentation ist das Kreuzworträstel oder der Einkaufzettel.

- Enorme Ähnlichkeiten sind auch immer wieder bei der Kleidungswahl festzustellen. Rümpft der durchschnittlich-modeaffine Mitarbeiter bei dem esoterisch-orangefarbenen Hemdchen irritiert die Nase und führt sich prophylaktisch schon mal 3 Liter Augentropfen pro Auge ein, wird einem vom Gegenüber beteuert. "Mensch, das trägt man jetzt so. Du hast ja gar keine Ahnung."

- Die absolute Ähnlichkeitsverdichtung mussten wir in Personalgesprächen feststellen: "Matthias, du machst einen guten Job. Du arbeitest mehr und besser als Kollege Hartmut, der ja älter ist. Aber du verdienst doch bereits recht gut. Als ich so jung war wie du habe ich nicht annährend so viel verdient wie du. Was erwartest du denn? Du hast ja auch deine Ausbildung/dein Tiermedizinstudium/deine Telekollegnutzung abgebrochen. Ich weiß wirklich nicht was du willst."

Was lernen wir aus all dem? Wir müssen mit unseren Chefs genauso behutsam umgehen wie mit unseren alternden Eltern. Irgendwann werden wir unseren Chefs aus der W&V und Wallpaper vorlesen müssen, damit sie unsere Kreativerzeugnisse verstehen.
Aber unsere Chefs werden niemals an Altersdemenz leiden.
Zu schön wäre der Gedanke man könnte sich jeden Tag neu vorstellen, jeden Tag eine neue Position und all die von uns gemobbten Kollegen wären vergessen.
cyankali-sista - 15. Mai, 12:14

LILA

ist einfach das neue schwarz. canary können nur junggebleibene texter tragen. mit stützstrumpffarbenem cord und samt in royalblue kann man einfach nichts falsch machen. so viel zu trendfarben im modemutigen und pantonefarbenen agenturalltag. ach ja, liebe eltern: pantone ist auf keinen fall ein sitzmöbel und auch nicht wirklich italienisches fressi.

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