Freitag, 28. April 2006

Süchte Nr.5, 6 und 7.: Die TOP 3 der alltäglichen Foltermethoden. Langzeitschäden sind vorprogrammiert.

Man sagt sich, diesen Süchten seien auch andere Branchen verfallen. Obwohl ich aktiv bisher noch keine andere Branche kennenlernen durfte, behaupte ich dennoch kühn, die Werberleute sind die wahren Krieger in Sachen Meetings, sinnlosem Sprechdurchfall und in End- und Umlagern von wirklich relevanten Tätigkeiten an ihre Kollegen.

Meetings sind ein Labsal für all unsere geltensbedürftigen Mitmenschen. Endlich mal nicht wie zuhause aus Frustration mit dem Spiegelei oder der Wattebausch-Familie reden, sondern mit Lebewesen auf engstem Raum. Ich habe sie schon gesehen die funkelnden Augen und die vor Glück schwitzigen Hände geschüttelt und dann weiß ich genau mit welchen Kalibern ichs zu tun habe. Es gibt verschiedene Meetingmackenvorlieben: Manche spielen Meetingguerilla und lenken saugen jegliche Relevanz aus Meetings, in dem sie ihre Mitmenschen mit der Entwicklungsstufe der Fußpilzerkrankung ihrer Gattin nerven. dann gibt es die Showesser, die eigentlich schlicht passionierte Kellner sind und es lieben sich peu à peu unterschiedliche Säfte, Teesorten und Kaffeevariationen zuzubereiten, gefolgt von einem Versuch aus vertrockneten Pressspankeksen Etageren zu bauen und genüsslich zu verzehren.
Oder die Showtelefonierer, die eigentlich ihren Job verfehlt haben und viel besser in einer ZDFSpendengala für WirhelfenKindernTsunamiFlutAidsHartz4TokioHotel-Opfern im Showcallcenter aufgehoben wären. Zunächst denkt man noch das Gegenüber möchte einem netterweise den ausladenen, sichtbaren Kauvorgang ersparen, dabei dient das HandvordenMundhalten zur Dämmung der ins Telefon geflüsterten Worte. Bei soviel Showeinlage, zu der nicht einmal Kati Witt auf dem Eis fähig ist, bleibt einem nichts anderes übrig als den stringenten Meetingfaden zu verlassen und sein sich in einen echsenartigen, nahezu meditativen Staunvorgang zu begeben. Das ist nur eine sehr eingeschränkte Auswahl, die Liste scheint endlos zu sein.

Direkt an zweiter Stelle folgt schon dicht, die von Kollegen gerne eingesetzte, garantiert tödliche Allzweckwaffe: das Totquatschen. In der Regel sind die Meetingjunkies auch zeitgleich die Sprechdiarrhoeler. Die Formel lautet: Hohe Konzentration irrelevanter Informationen, vorgetragen in entweder valiumesquen Einschläfermethodik und mit bestimmt immer wiederkehrenden Allgemeinplätzen. Gefährlich wirds erst dann, wenn sich zwischendurch relevante Informationen verstecken. Wir arbeiten deshalb zurzeit an einem Relevanzdetektor, der uns Leidtragenden hilft, die wichtigsten Informationen auszufiltern und abzuspeichern, zumal unsere Ohren und Hirne unsere Seelen mit einer Hornschicht vor Langzeitschäden schützt. Beispiele gefällig: "Die im Kontext des Benefits redundanten Bulletpoints sollten noch mal in einer SWOT-Analyse auf die im Kontext des Reason Why tatsächlichen relevanten Bulletpoints gecheckt werden." Ja, klar, Migräne.
Mein mir liebstes MeetingsmeetsSprechdiarrhoe-Erlebnis bleibt aber ganz pur: "Werte Frau Odendahl, Rüttenstahl mein Name, darf ich Ihnen noch Kaffee eingießen? Kaffee, frisch aus der Brut!"
Spätestens an diesen Punkten möchte man sich zu einen Ganzkörper-Emoticon machen, denn was man dann fühlt kann leider nicht mehr mit Worten wiedergegeben werden.

Platz 3 im Alltagskrieg belegt das End- und Umlagern von wirklich wichtiger Arbeit an Kollegen. Menschgewordene Castortransporte! Höchstgefählich! "Lieber Texter Friedbert, kannst du bitte noch auf Seite 3, Absatz 2, letzter Satz, das Wort "Brotaufstrich" ersetzen? "Brotaufstrich" ist dem Kunden zu allgemein. Schließlich handelt es sich um einen "Nussnougataufstrich". Wir können also "Nussnougataufstrich" schreiben. Für den Kunden ists ok. " sage ich. "Liebe WerbenundVerlaufen, so geht das nicht. Kannst du mir das bitte in einem schriftlichen Briefing niederschreiben? Und bitte denke daran auch das Timing für diese Korrektur zu vermerken. Ich meine, wann muss das geänderte Dokument an unseren CD Dieter und wann sieht es der Kunde? Denkst du bitte noch daran eine Todo-Liste für mich für die nächsten 2 Stunden anzufertigen? Ich kann echt nicht so arbeiten. Als Simon und Manfred noch die Kundenberatung gemacht haben, da gabs das immer und das war sehr gut."
"Friedbert, die Broschüre muss aber in den nächsten 10 Minuten an die Druckerei gehen, sonst halten wir den Endtermin nicht. Ich werde dir nicht deine Todo-Liste machen können."
"Na gut. Aber mit Simon und Manfred lief das niemals so unprofessionell wie mit dir, WerbenundVerlaufen. Wir hatten für die Entwicklung eines Aufklebers 2 Wochen Zeit. Nur Text. Die Grafik hatte dann noch mal eine Woche. Das war echt gut, WuV."

Jeder Leidtragende des Alltagskriegs hat so seine ganz eigenen Mittel um diesen harten Kampf gegen die nachlässige Kollegenschaft zu überstehen. Besonders harte Tage sind nur dann zu überstehen, wenn man am Vorabend aus Versehen in einen Schnapstank gefallen ist. An dieser Stelle muss ich nun auch zugeben, dass ich vor absehbaren, besonders harten Meetings mich gerne absichtlich in einen Whiskypool werfen lasse, um nur ein Viertel des Leids mitzubekommen. Ich schlage zurück, denn olfaktorisch lässt sich meine vorabendliche Beschäftigung vor meinen Feinden aus der Meetingamafia schlecht verbergen. Ich lehne mich zurück und danke Guerlain und Frau Rubinstein für ihre Verdienste in der Kosmetikindustie und würfle vor dem Meeting, ob ich mir und meiner Umwelt ein fahnenbehebenden Kaugummi gönnen möchte oder nicht.

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