Donnerstag, 20. April 2006

Sucht Nr.1: Abgreifen

Unter "Abgreifen" verstehen wir ein Phänomen, das selbstverständlich nicht ausschließlich in der Werbergattung vorkommt. Dennoch stellen wir mit Entsetzen einen überdurchschnittlich ausgeprägten Drang in der Branche dazu fest.

Bei den meisten fängt es ganz harmlos mit dem Bunkern von Belegexemplaren an. Der Werber möchte nicht nur von seinen selbst geschaffenen Druckerzeugnissen ein Stück haben, nein, sondern alles jemals produzierte und bitte in mehrfacher Ausfertigung. Das Gefühl Ware umsonst zu erhalten, lässt sein Herz höher hüpfen. Kapitalistische, möglicherweise clevere Hintergedanken à la "ich verkauf' das Lagerfeldposter für nen spektakulären Ebaypreis" sind nur selten vorzufinden.
Daraus schließen wir, dass es dem Werber um den reinen Besitz geht. Nicht mehr und nicht weniger.

Noch auffälliger wird das Verhalten, wenn Werbemittel Bolle & Bollinger jun. ihr Werbemittellager einmal im Jahr feucht durchwischen und den Produktionern der Stadt je eine Schubkarre voller unglückseligmachender Produkte überlassen: Nickibommelmützen in Mintgrün, unförmige Baseballcaps von renommierten Spitzenvereinen, antistatische, mit Antirutschnoppen versehene, ockerfarbene Haussocken. Das alles möchte der Werber besitzen. Wahres Werberglück ist eine fußballfeldgroßer Wühltisch.

Schauplatzwechsel, Uhrzeitwechsel: Die Druckerei Printpaule lädt zur Jubliäumsparty die wichtigsten Agenturen der Stadt in ein kühles, loungiges Etwas mit Dauerbeamerwandprojektion und begattungsfördernder Housemusik ein. Ein VW Beetle und Mazda MX 5-Korso bildet sich auf der Straße, denn es steht fest: Heute gibts Food and Drinks auf Kosten der Druckerei Printpaule. Wochen zuvor machte schon in Branchenkreisen der Satz "Wir trinken dem Paule den Bentley weg" die Runde. Und genauso verhält sich auch die loungetaumelnde Werbemasse. Bier und Wasser dienen nur zum zwanglosen Zwischengurgeln nach Knoblauchgarnelenspieß und vor Champagnerbaumkuchenparfait. Der Werber bestellt sich danach einen sinnlosen Vorrat der teuersten und alkoholhaltigsten Cocktails und vergisst nebenbei, dass er eigentlich von Cocktails fürchterliches Sodbrennen bekommt: "Zwei extra double long Longislandicetea ohne Eis und noch mal drei zum Mitnehmen, bitte."

Was lernen wir daraus:
1. Nutzt den Abgreifautomatismus der Werber und bringt in Zukunft eure hässlichen Ostergeschenke, defekte Bügeleisen oder eure abgesessenen Couchgarnituren einfach in der Agentur eurer Nähe vorbei. Ihr denkt vor der Haustür kommt der Dreck in den nächsten Tagen ohnehin weg? Von wegen. Eine Ansammlung von Werbern hat beschleunigende Wirkung auf den Eliminierungsprozess unnötiger Gegenstände!
2. Werber haben keinerlei Wert- und Ästhetikempfinden!
3. Werber niemals in die eigene Wohnung/Loft/Villa einladen. Es besteht die Gefahr, dass hinterher Handtücher und Shampooflaschen fehlen!

(vormals:)Erste Hilfe ganz einfach: das Lob (heute:) das Lob - die unterschätzte Gefahr

UPDATE:

Dieser Artikel hat leider bewiesen, dass Werber mit Lob nicht umgehen können. Zumindest, wenn es andere öffentlich bekommen. Einmal im Jahr, beim ADC-Treffen, nicht selber auf der Bühne stehen, das reicht den meisten. Jedes öffentliche Lob führt dieser repräsentativen Feldstudie hier zufolge öfter zu Leid als zu Linderung. Daher dringende Bitte: überlassen Sie das Loben uns Profis bei persönlichen Gesprächen.

Der Artikel wird folgerichtig ersatzlos gestrichen.

Und zur Rache durch einen Link ersetzt, der Werbern richtig Angst macht.


PS: Die Praxis wird jetzt geschlossen. Das Wochenende über wünschen wir viel Spaß mit der Angst erwischt zu werden. Ihr freundliches WEISSER WERBER RING Team steht Ihnen ab Montag wieder zur Verfügung. Bitte lassen sie ihre Zwangsneurosen so lange in den Kommentaren, wir werden das dann abarbeiten.

Wenn der Durchschnittswerber die schmale Grenze zum Wahnsinn durchschritten hat, ist es zu spät. Dann murmelt er oder sie meist nur noch Sätze, die sich in sein Gehirn einbrannten als sie feuerzungengleich aus dem Mund des CD schossen: „Kenn ich schon“, „Hab ich schon mal gesehen“ , „frisch aus dem Lürzers, was?“

Stellen Sie sich das einfach in der Tonlage von Seargant Paula aus Full Metal Jacket vor. Ja, genau, in dieser seven-six-two-full-metal-jacket-Latrinen-Selbstmord-Szene. Dann wissen sie, in welchen Zustand emotional verkrüppelte Werber in der Blüte ihres Lebens hier landen. Wollen Sie, dass all diese ehedem mitfühlenden, teuer ausgebildeten, jahrelang durch BaföG gepeppelten Kommunikations-Einsteins so enden? Nein?

Dann loben Sie einfach mal ein Werberlein. Vor allem, wenn Sie ein Normalmensch sind, hilft das wirklich. (Lob von Berufskollegen lindert auch etwas, wirkt im Vergleich aber nur wie Metadon.) Auf spontane Bitten vieler Betroffener wird die Passage geändert in: Vor allem, wenn auch Sie Werber oder Ähnliches sind. Die Meinung von reinen Medienkonsumenten ist dem Kommunikationsprofi hingegen schon ab Beginn seiner Laufbahn egal. Seien Sie allerdings vorsichtig mit der Dosierung. Zuviel Lob ist für die Medien-Persönlichkeit schädlicher als gestrecktes Koks auf Ammer-Parties. Loben Sie lieber zum Test zuerst seine oder ihre Arbeit. Beispielsweise so …

Das nenn ich mal richtig geile Werbung:

popetown02

Folgen Sie bitte dem hier gezeigten Beispiel: Wenn Ihnen eine Werbung wirklich gefällt und Sie aus gutunterrichteter Quelle wissen, dass bei ihrer Erstellung keine Werber gefoltert wurden, dann machen Sie Ihre Sympathie öffentlich. Zum Beispiel hier in den Kommentaren. Zugegeben, solche Werbung zu finden ist schwer. Viele Werbeagenturen verwechseln immer noch Qual und Qualität und das Ergebnis dieser Haltung sind Anzeigenmotive zum Lachen und Werber zum Heulen. Also loben Sie bitte nur fair erdachte Werbung. (Ein Siegel für diese wird derzeit vom WEISSEN WERBER RING entwickelt)

Weitere Schritte in Richtung persönliches Lob und Bekunden von persönlicher Wertschätzung sollten Sie allerdings uns Profis überlassen. Der gemeine Werber ist sozial verkümmert und klammert sich krampfhaft an jeden kommunikativen Strohhalm. Aber im Gegensatz zu dem süßen Hundchen von Weihnachten werden Sie ihn nicht einfach an der nächsten Autobahnraststätte los. Nein, der Werber wird sich auf der Suche nach mehr Lob immer wieder bei Ihnen melden. Also Finger weg vom Werber, Fingerzeig auf ihn ist Hilfe genug. Daher:

Erdacht hat sich obige Anzeige die Agentur „Roxy Munich“ aus Berlin, die zumindest bisher nicht durch werbeagentureske Fehlschläge Mitarbeiter auf meine Couch geprügelt hat. Und anscheinend war wohl auch Herr Lobo beteiligt.

Vielen Dank, dass Sie mir so lange gefolgt sind. Weitere Exkurse zu den Klippen des Agenturalltags finden in den nächsten Tagen statt.

Es freut sich, wenn Sie wieder einschalten
Ihr doctor_best

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